Elfriede Gerstl

Elfriede Gerstl
© Herbert J. Wimmer

manche kommen aus dem staunen nicht heraus / manche nie hinein.

Elfriede Gerstl

Elfriede Gerstl, 1932 in Wien geboren, überlebte als Jüdin die NS-Zeit in mehreren Verstecken. Sie studierte Medizin und Psychologie, brach das Studium ab und heiratete Gerald Bisinger. Als einzige Frau im Umkreis der Autoren der Wiener Gruppe und der frühen Aktionisten, die aus Wien vertrieben wurden, verbrachte sie die bewegten 60er Jahre in Berlin. 1968 zog sie wieder nach Wien, wo sie sich konsequent außerhalb des Literaturbetriebs positionierte. 2009 starb Gerstl in Wien.

Für ihr Werk, das mit Veröffentlichungen Mitte der 50er Jahre seinen Ausgang nahm, erhielt sie 1999 den Erich-Fried-Preis und den Georg Trakl-Preis, 2004 den Ben-Witter-Preis und 2007 den Heimrad-Bäcker-Preis.

Die Werkausgabe bei Droschl:
Band 1 Mittellange Minis. Werke 1962-1977
Band 2 Behüte behütet. Werke 1982-1993
Band 3 Haus und Haut. Werke 1995-2009
Band 4 Tandlerfundstücke. Verstreut publizierte Texte von 1955 bis 2009 und der Band Lebenszeichen
Band 5 Das vorläufig Bleibende. Texte aus dem Nachlass und Interviews

»Ich verlange, dass die Werke Elfriede Gerstls die nächsten hundert Jahre (und noch viel länger) gelesen werden. Das ist eine Stimme in der österreichischen Literatur, die nie verstummen darf. Diese gellende Leichtigkeit, diese zarten, aber durchdringend leisen Gedanken dürfen nicht in Vergessenheit geraten.« (Elfriede Jelinek in Der Standard)

»Wie produktiv, vielgestaltig und bis zuletzt funkensprühend das Schreiben Elfriede Gerstls war, aber auch von welchen Zweifeln und Verhinderungen (u.a.durch Armut und Nichtbeachtung) es lange Zeit begleitet wurde, das lässt sich in den fünf Bänden der Werkausgabe nachlesen und nachempfinden.« (Gisela Steinlechner, Wiener Zeitung)

»Wer eine Telenovela gesehen hat, braucht ein paar zarte Gerstl-Texte, um wieder gesund zu werden, das ist das notwendige Medikament angesichts einer solchen Kunstkonfektion oder Konfektionskunst. Die kleinen Textpartien bei Elfriede Gerstl mögen als Bagatellen gelten, aber diese Bagatellen haben eine exquisite Tradition: Hier muss sich die Spannkraft jedes einzelnen Satzes bewähren, hier kommt es auf Wortfolge an, auf die kleinsten rhythmischen Einheiten. Peter Altenberg und Franz Kafka, Konrad Bayer und H. C. Artmann, das sind die Meister dieser Kunst, die aus dem Minimalen das Maximum herauszuholen imstande waren, und das ist ein Zusammenhang, der sich sehen lassen kann.« (Wendelin Schmidt-Dengler)

»Elfriede Gerstl hasst alles Prätentiöse und Pathetische wie die Pest. (…) Eine Meisterin des Minimalismus, die den Diminutiv zur künstlerischen Methode gemacht hat.« (Daniela Strigl, Falter)

»Die Literatur Elfriede Gerstls gehört zum Feinsten, was die österreichische Gegenwartsliteratur zu bieten hat. (…)Wenn sie komplexe Zusammenhänge durchdringt, geschieht das so luzide wie lakonisch.« (Petra Nachbaur, Wiener Zeitung)

»Elfriede Gerstls knappe Gedichte, Dialoge, Traumsequenzen und ›Denkkrümel‹, wie sie selbst manche ihrer Texte nannte, sind eine Schule der Wort-Askese und der Befreiung vom Phrasen-Ballast.« (Cornelius Hell, Ö1)

Heimito von Doderer errichtete Elfriede Gerstl ein Denkmal in seinem Roman Die Merowinger, und zwar mit der Figur einer »jungen Dame, namens Elisabeth Friederike Krestel, die ursprünglich sogar Medizin und Psychologie studiert hatte«:
»Schließlich erfuhr er, daß sie selbst schreibe, und sein Entzücken kannte keine Grenzen, als er ihre kleinen, ja, miniaturen Erzählungen las, die mit meisterlichem Geschick und einer an’s Höllische grenzenden Bosheit einzelne Fäden aus dem Geweb des Lebens zupften, die Fräulein Krestel dann zu teuflischen Knödelchen zu rollen verstand, solchen, wie man sie im Magen tollwütiger Hunde findet. Später hatte sie dann ganz dem Schriftstellerberufe sich zugewandt und es darin zu Ansehen gebracht.« (Heimito von Doderer, Die Merowinger, Biederstein 1962, S. 210f.)

»Sie schrieb bereits über die vielschichtigen Benachteiligungen von Frauen, als ihr der Begriff des Feminismus noch unbekannt war und analysierte schonungslos die Verwerfungen des österreichischen Kulturbetriebs. Anfangs noch stark von der Wiener Gruppe inspiriert, fand sie zu ihrem eigenen Stil, der seinen Reiz aus größtmöglicher Verknappung, augenzwinkernder (Selbst-)Ironie und dem Diminutiv bezieht, wie er dem Österreichischen typisch ist.«(Martin Wedl, Buchkultur)

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