Buchcover
Elfriede Gerstl

Mittellange Minis

Werke Band 1
2012
gebunden mit Lesebändchen , 15 x 21 cm
208 Seiten
mit Fotos und Faksimiles
Hrsg. von Christa Gürtler und Helga Mitterbauer in Zusammenarbeit mit dem Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.
ISBN: 9783854207979
€ 24,00

AUTOREN

HERAUSGEBER

  • Christa Gürtler
  • Helga Mitterbauer

Textauszug

LEUTE SAMMELN

ist befriedigender als Briefmarken oder Schmetterlinge. Die Anschaffung von Leuten ist meist einfach – sehr oft bekommt man welche geschenkt – Leute brauchen weniger Pflege und schmutzen fast nicht.

Eine interessante Leutesammlung erzeugt den Eindruck von Reichtum, Beliebtheit, Menschenkenntnis und gesellschaftlicher Gewandtheit des Sammlers, und viele psychische Begabungen sind ja auch wirklich für diesen überaus subtilen Sport notwendig und, wenn solche vorhanden sind, werden sie bei dieser Gelegenheit aktiviert und vervollkommnet.

Das Leutesammeln ist also auch persönlichkeitsbildend. Und nun überlegen Sie, welche Sorten von Leuten Sie sammeln wollen und bereits gesammelt haben: je nachdem, ob Sie Germanist, Zwangsneurotiker oder Ladenhüter sind, Sie werden auf jeden Fall Opfer gleicher oder ähnlicher Interessen, Krankheiten und Berufe in Ihrer Sammlung haben.

Als günstige Orte zum Leutefangen gelten (und sicherlich mit Recht) Kaffeehäuser, Tanzlokale, Parties, Klubs, ferner Bahnhöfe, Hörsäle und andere Orte – die häufigsten Methoden, Leute kennenzulernen: durch Bekannte bekannt gemacht werden, ansprechen und sich ansprechen lassen.

WIE aber und zu welchem Ende werden Leute gesammelt? Schaffen Sie sich auf jeden Fall ein Notizbuch an und machen Sie einen Plan (beides kann ja nie schaden), betreiben Sie das Leutefangen im Hinblick auf diesen, das heißt: spezialisieren Sie sich auf Typen und andere Personengruppen, die Ihnen sammelnswert scheinen (bärtige Maler, bartlose Intellektuelle, schizophrene Propheten, Rilkekenner oder Sexualneurotiker), vergessen Sie bei Ihrem Tun nie die Sammlungen Ihrer Freunde und eventuelle Tauschmöglichkeiten, versäumen Sie keine Party und geben Sie von Zeit zu Zeit selber eine.

Die Wiener Dichterin Elfriede Gerstl (16. Juni 1932 – 9. April 2009) zählt zu den Größen der österreichischen Literatur nach 1945. Ihr schmales und in verschiedenen Verlagen und Medien erschienenes Werk soll mit dieser Werkausgabe in all seinen Facetten und in seinem ganzen Umfang sichtbar werden und die Singularität dieser »Untertreibungskünstlerin« (Wendelin Schmidt-Dengler) dokumentieren. Die fünfbändige Gesamtausgabe folgt chronologisch den publizierten Büchern, wobei die Mischung der verschiedenen Gattungen, von Lyrik bis Essay und Hörspiel, eben Elfriede Gerstls Poetik des Albums, beibehalten wird. Jeder Band enthält einen ausführlichen Kommentar zur Entstehung und Publikationsgeschichte der einzelnen Texte, Fotos und Materialien aus dem entsprechenden Zeitraum.

Der erste Band der Gesamtausgabe, der zu Elfriede Gerstls 80. Geburtstag (16. Juni 2012) vorgelegt wurde, enthält die Texte ihrer ersten Buchpublikationen, Gesellschaftsspiele mit mir. Wenig übliche Geschichten und Gedichte (1962), Mittellange Minis (Gedichte, 1967), Berechtigte Fragen (Hörspiele, 1973) und den legendären Roman Spielräume (1977).

»Alle Kleinkunst ist edel und riskiert, immer traditionslos (wie die Kürzestgeschichten von J. P. Hebel) und sprachlich von höchster Perfektion. Das sind ihre Kriterien. Wer entspricht ihnen schon? Wer kann das? Durchaus kann es Elfriede Gerstl.« (Heimito von Doderer 1963 über Gerstls erste Buchpublikation Gesellschaftsspiele mit mir)

Presse

Der Band »liefert neue Einblicke in das komplexe, eigenwillige und einzigartige Oeuvre der Autorin. Ein längst notwendiges – und ein äußerst vergnügliches Unterfangen.« (Ö1, ex libris)

»Gerstl ist eine Virtuosin der kleinen Form.« (Wolfgang Paterno, Profil)

»Eine Autorin, die zu entdecken bleibt. Hier kann man Gerstls Frühwerk aus den 60er und 70er Jahren in einer mustergültigen Edition nachlesen.«(Günter Kaindlstorfer, BR Diwan + Ö1 Kulturjournal)

»Gerstl beherrscht die Kunst der Klarheit, Leichtigkeit, Präzision und stilistischen Frische. Eine Kunst, die heute – gelinde gesagt – umwerfend wirkt.« (Sabine Strobl, Tiroler Tageszeitung)

»Leute, lest die Gerstl! Ihre Lyrik etwa: aufs Nötigste verknappt, beiläufig und doch so wortgewaltig.« (Mareike Steger, Wienerin)

»Ich erinnere mich an das erste Mal, da ich Elfriede Gerstl lesen hörte, und ich war von der subtilen Ironie und von der Prägnanz ihrer Sprache nicht bloß fasziniert, sondern erstaunt. Ich hatte solches noch nie gehört. Ihre Gedichte hatten nichts Auftrumpfendes und beileibe nichts Herrisches. Ihre Lyrik musste sich nicht erhaben geben, weil sie so luftig, klar und federleicht daherkam, und so konnte sie selbst das Abgründige beschreiben, als schwebe sie darüber hinweg. Sie beobachtete genau und begnügte sich nicht mit Halbheiten; sie war in allem apart, in ihren Sätzen, in ihrem Denken, in ihrem Auftreten und in ihrer Kleidung. Sie mied Beschönigungen. Sie war eine feine Person, feinsinnig und feinfühlig.« (Doron Rabinovici)

»Scharfzüngige, polemische und vor groteskem Witz sprühende Gesellschaftskritik, Plädoyers für eine eigensinnige, individuelle Existenz.« (Carola Ebeling, Virginia)

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