Buchcover
Kathrin Passig

Vielleicht ist das neu und erfreulich

Technik. Literatur. Kritik
2019
Broschur , 12 x 19 cm
120 Seiten
Grazer Vorlesungen zur Kunst des Schreibens Bd. 2
ISBN: 9783990590294
€ 15
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

In Gedichtbänden und wissenschaftlichen Veröffentlichungen über generierte Kunst wird man immer von Menschen nachbearbeitete oder zumindest ausgewählte Ergebnisse vorfinden. Gelegentlich gibt es aber Situationen, in denen man der »schreibenden« Maschine tatsächlich bei der Arbeit zusehen kann. Anfang 2018 wurde in Deutschland darüber diskutiert, dass die Alice-Salomon-Hochschule Berlin ein Gedicht von Eugen Gomringer entfernen lassen wollte, das aus dem Jahr 1951 stammte und seit 2011 auf der Fassade der Hochschule gestanden hatte. Am 26. Januar schlug @axaneco bei Twitter vor:
»Idee: Automatischer Lyrikgenerator ›Avenidas-Style‹. Vier zufällige Substantive aus dem Wörterbuch, ein Twitterbot, der es postet, T-Shirts, Tassen, Poster, die Kunstwelt rastet aus usf.
(@kathrinpassig, eventuell?)«
Ich antwortete »consider it done« und baute einen Twitter-
bot namens »Gomringador«, der Name wurde von Kristin Kopf gestiftet. Seitdem twittert der Bot mehrmals täglich ein Gedicht in der leicht nachahmbaren Struktur des Avenidas-Gedichts. Twitter eignet sich dafür, weil ein Gedichtband voller Avenidasse sehr langweilig zu lesen wäre, ein gelegentlich im großen Twitterstream vorbeischwimmendes Gedicht dieser Bauart aber erfreulich sein kann. Technisch war das nur möglich, weil ein halbes Jahr zuvor die Zeichengrenze bei Twitter von 140 auf 280 Zeichen angehoben worden war, was die Lyrikproduktion, die sich bis dahin auf Haikus beschränkt hatte, umgehend ankurbelte.

Das Internet hat es nicht leicht: Mittlerweile kaum noch wegzudenken aus unserem Alltag steigen auch die Erwartungen in vielerlei Hinsicht. Eine ganz neue Form von Literatur soll das Netz hervorbringen oder gar exorbitanten Einfluss auf die Schreibenden aller Art haben. So lauten nur zwei Erwartungshaltungen.
Das www ist zwar groß und weit, aber ein bisschen viel ist das schon verlangt, nicht wahr? Insbesondere, wenn das alles am besten über Nacht geschehen soll.

Kathrin Passig rückt die Fakten zurecht und zeigt, was sich bislang bereits verändert hat; ob das Internet und Literatur kompatibel sind; wie Mensch und Maschine zusammenarbeiten (können); warum gerade Lyrik auf Twitter floriert; welche sozialen Funktionen das Buch besitzt; wie sich der mediale Fortschritt auf das Schreiben und Lesen auswirkt und sie erklärt, warum es vollkommen verfehlt ist, alle paar Jahre das Scheitern der Netzliteratur auszurufen.

Presse

»Kathrin Passigs elegant unprätentiöse Infragestellung der alten Genieästhetik beruht nicht nur auf guten Argumenten, sondern hat auch ihren Charme.« (Oliver Jungen, FAZ)

»Wenn die Feuilletons ›Buh‹ rufen, schaut Kathrin Passig lieber hin und hat Spaß am Neuen. Man kann von ihr nur lernen. […]. Geliefert hat sie funkelnde Bruchstücke zur Netzlebenskunst, die man dringend lesen sollte. Jedenfalls dann, wenn man schlauer und irgendwann mal auch ein bisschen weise werden möchte.« (Stephan Porombka, Der Feitag)

Es ist »gut, dass sich jemand zwischendurch die grundlegende Frage stellt, ob und wie denn Internet und Literatur zusammengehen. Wer wäre da berufener als Kathrin Passig. Sie geht ohne Scheu, ohne Kulturpessimismus und voller ironischer Verve auf die großen Fragen zu.« (Wolfgang Straub, Ö1 ex libris)

»Für Kathrin Passig zeigt der Blick in die Literaturgeschichte, dass das Neue, Zukunftsweisende vor allem dort entsteht, wo der etablierte Literaturbetrieb die Nase rümpft. (…) Klug und mit leiser Ironie formuliert.« (Oliver Pfohlmann, SWR Lesenswert)

»Zum Internet im Allgemeinen und konkret zu den Veränderungen, die sich im Besonderen für Literatur und Literaturkritik durch das Medium Internet ergeben haben, wurde bereits viel gesprochen und geschrieben. Doch kaum jemand hat es in einem so erfreulich unaufgeregten, sympathischen Ton und bar jeglichen theoretischen Überbau-Ballasts getan wie Kathrin Passig.« (Renate Giacomuzzi, literaturkritik.at)

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