Buchcover
Klaus Hoffer Alfred Kolleritsch

Graz von aussen

2003
gebunden , 13 x 21 cm
328 Seiten
ISBN: 9783854206194
€ 23,00

BEITRÄGER

HERAUSGEBER

Textauszug

Als Graz eine österreichische Kulturhauptstadt war, sah ich in dieser Stadt die Uraufführung eines Stückes von Ernst Jandl: Aus der Fremde. Das war ein Stück meines Lebens, denn im Verein der furchterregenden Dichter in der Grazer Autorenversammlung arbeitete ich als Sekretär unter dem geschäftsführenden Vizepräsidenten Ernst Jandl; er hat mich in die Geheimnisse der Sekretärswelt, in ein weites Land eingeführt. Ich komme zwar im Stück nicht vor, aber das Stück kommt in mir vor: eine Grazer Uraufführung! Schöne Zeit damals, als an jeder Ecke eine mürrische Größe saß. ›Aha‹, dachte ich, als ich wieder einmal am Erzherzog Johann vorüberging und mein Blick in die Auslage fiel, ›aha, dieser Block an Sensibilität, das ist der Dichter Handke.‹ Und jedesmal, wenn ich Alfred Kolleritsch in Graz sehe, immer nur zufällig, immer auf meinem Weg zum Stadtpark, hat er sofort ein messerscharfes Wort der Entschuldigung für sich parat: Dort sei er nicht hingekommen, obwohl ich dort einen Auftritt gehabt hätte, auch andernorts sei er nicht gewesen, obwohl ich doch gewiß Wert darauf gelegt hätte. Er hat es noch nicht begriffen: Mir genügt es vollkommen, daß er überhaupt auf der Welt ist, meinetwegen soll er nirgendwo hinfahren, ich schätze ihn überall sehr. Das sind doch die Menschen, durch die Graz erst eine österreichische Kulturhauptstadt geworden ist, unbeabsichtigt, gegen Widerstände, schön langsam, auf einem mühevollen Weg, indem die Vorstellungen einzelner Schritt für Schritt zu einem kleinen, die Stadt schmückenden Kollektiv zusammenfanden. Aber es ist gut, daß jetzt endlich die verblassende Spontaneität von damals in eine sozialtechnische Planungsphase eintritt, daß ein verpuffendes Event uns müd gewordenen Helden Energie spendet, also Pfeffer in den Arsch streut. (Franz Schuh)

In Jerusalem gibt es ein McDonald’s (in Graz auch), und das ist keineswegs das Übelste an Jerusalem (an Graz). So ein Big Mac schmeckt nämlich gut, wenn auch nicht ganz so gut wie das Manna, das ich einst essen durfte, als ich, von außen kommend, endlich in Graz drin war. Manna mit Kernöl, das war eine Spezialität, damals in Graz. (Urs Widmer)

»Du kannst nicht nach Graz fahren, da ist Krieg!« schrieb mir 1997 eine Freundin aus Japan. Auf einer Weltkarte kann man nicht genau sehen, ob Graz in Ungarn liegt oder in Slowenien. (Yoko Tawada)

Als die Grazer auszogen, die Literatur zu erobern, und Graz die heimliche Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur wurde, das war in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Im Jahre 2003 wurde Graz zur Kulturhauptstadt Europas ausgerufen.

Graz von innen hieß ein Buch, in dem 1985 die Größen der Grazer Literaturszene ihrer Stadt auf den Zahn fühlten. Und dieser Innensicht stellen nun 44 Autorinnen und Autoren einen Blick von außen zur Seite (oder entgegen), Schriftsteller, die in dieser Stadt gelebt haben, auf Besuch waren, den Mythos und die Realität kennengelernt haben. Nicht nur sehr persönliche Begegnungen mit der Stadt, ihrer Kultur und ihren Kulturproduzenten kommen zur Sprache; die einzelnen Beiträge dokumentieren darüber hinaus einen sehr vielschichtigen Umgang mit dieser am Rande gelegenen Provinzstadt, deren Umgang mit der Moderne in den Künsten seit einigen Jahrzehnten Aufsehen erregt. Schärfere Porträts und genauere Einblicke, schönere Geschichten und gewitztere Analysen vermag kein Bildband zu liefern!

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