Buchcover
Julien Gracq

Gespräche

2007
französische Broschur , 15 x 21 cm
248 Seiten
Aus dem Französischen von Dieter Hornig.
ISBN: 9783854207306
€ 23,00

AUTOREN

Textauszug

Ich habe einmal geschrieben, daß ein großer Roman nicht das Leben ist, sondern ihm nur in der sehr wichtigen und sehr unvollständigen Weise ähnelt, in der eine Glocke einem Kessel gleicht. Das heißt, die gleichen äußeren Formen, das gleiche Aussehen, aber der eine wird ausschließlich für die praktischen Erfordernisse des Lebens genützt, die andere nur, um Musik von sich zu geben. Das bedingt, daß es in meiner Auffassung und im Gegensatz zu einer weit verbreiteten und zu billigen Vorstellung keinen beängstigenden Bruch zwischen der zweckgerichteten Banalität des gängigen Lebens und der »Welt der Kunst« gibt (die Dichter gelten dann oft als die, die sich – unter Schmerzen – von der ersten losreißen, um zur zweiten zu gelangen). Ich glaube nicht an die poetischen Hinterwelten, ich glaube nicht an das »Entfliehn! Nur fort! …« von Mallarmé und auch nicht an diese Idee der Flucht aus dem Alltag durch die Kunst, die die französische Romantik durchzieht. Und die auch noch deutlich bei Baudelaire zum Ausdruck kommt. Ich stimme weitaus mehr mit der einheitlichen Konzeption überein, die, so scheint mir, Novalis vertritt: die Welt ist eins, alles ist in ihr; vom banalen Leben bis zu den Gipfeln der Kunst gibt es keinen Bruch, sondern eine magische Entfaltung, die auf einer tiefinneren Umkehrung der Aufmerksamkeit beruht, einer ganz anderen, ganz anders ausgerichteten und an Obertönen unendlich reicheren Art und Weise des Hörens und des Sehens. Weshalb die Literatur (ich möchte eher sagen: die Poesie) tatsächlich sehr ernst genommen werden muß, und zwar ohne die geringste Traurigkeit ernst genommen werden muß, wegen ihres immensen – und alltäglichen – Vermögens der Verwandlung und Bereicherung.

Der am 22. Dezember 2007 im Alter von 97 Jahren verstorbene Julien Gracq hat sich, wie nur wenige der berühmtesten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, zeit seines Lebens gegen die Medialisierung seines Werks gewendet, gegen das Zerreden und Auflösen der Texte durch Journalismus und Sekundärliteratur, und hat daher nur äußerst selten Interviews gegeben. Umso stärkeres Gewicht bekommt dieser vorläufig letzte Band seines Werks, in dem sieben Gespräche nachzulesen sind, die Gracq zwischen 1970 und 2001 mit Schriftstellerkollegen und Literaturwissenschaftlern führte.

Julien Gracq spricht in ihnen über die ihm wichtigen, in seinem Werk immer wieder behandelten Themen: seine Lektüren, die Einflüsse anderer Schriftsteller, die Begegnungen mit André Breton, die Bedeutung Jules Vernes, über Richard Wagner, über Landschaften und Geografie, Geschichte und Politik, über die Literaturkritik und das Schreiben selbst. Sogar in diesen ursprünglich mündlichen Äußerungen wird die Besonderheit und Schönheit seines Stils sichtbar, diese Dichte und Klarheit in Verbindung mit der ausholenden Syntax und der Originalität der Metaphern und des Wortschatzes. Und was vielleicht überraschen mag: sichtbar wird auch Gracqs Humor, seine Bescheidenheit (die Verwunderung, dass die nachfolgende Generation »ihn nicht in den Graben gestoßen hat«) und seine zutiefst unromantische Literaturauffassung.

Presse

»Man muss durchaus nicht zum Zirkel der Verehrer gehören, um sich von dieser Stimme einnehmen zu lassen.« (Helmut Mayer, FAZ)

»Was diese Gespräche auszeichnet, ist Gracqs präziser Formulierungswillen, eine geradezu stupende Genauigkeit und Rigorosität in der Argumentation. Das Ganze umweht auch ein Hauch des Altmodischen – und kommt doch ganz unnostalgisch daher.« (Thomas Laux, NZZ)

»Außergewöhnliche Gespräche.« (Ina Hartwig, Frankfurter Rundschau)

»Ein überaus anregendes Buch, das sich gut zum Kennenlernen des in Deutschland immer noch viel zu wenig bekannten Schriftstellers eignet.« (Krischan Schroth, Badische Zeitung)

»Die Bewunderung gilt einem auf geistige Unabhängigkeit pochenden Autor, der gerne unterschiedliche Wissensgebiete zusammenführt. Eigenwillige Schlussfolgerungen inklusive.« (Deutschlandfunk)

»In Gracqs Gesprächen kann man neu lernen.« (Agnes Hüfner, SWR)

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