Buchcover
Thomas Jonigk

Melodram

Roman
2013
gebunden , 13 x 21 cm
196 Seiten
ISBN: 9783854208341
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Ist es wichtig, Panik zu haben, fragt Karin, oder ist das ein Zustand, den die Evolution eines Tages beseitigt haben wird, ebenso wie Schlaflosigkeit, Eifersucht und Einsamkeit? Oder Alpträume? Warum, fragt sie, hat die Evolution mich bei ihrer allgemeinen Mobilmachung des Menschen übergangen? Warum darf ich keinen Anteil haben an dieser zombiehaften Effektivität und dieser mich umzingelnden Gleichschaltung, die es immer wieder schafft, sich selbst mit Fröhlichkeit zu verwechseln? Warum gelingt es mir nicht, zufrieden bzw. am Ziel zu sein und dort bis an mein Lebensende zu bleiben? Seicht müsste man sein, sagt Karin, flach wie eine Pfütze und absichtslos wie ein fallendes Blatt. Aber dann, sagt sie, ertrage ich genau diese Vorstellung nicht und bekomme Angst, dass nichts von mir übrigbleibt, wenn ich keine Panik mehr habe bzw. sie nicht mehr haben darf. Dass ich mich automatisch auslösche, wenn ich mich ändere. Jedenfalls, sagt Karin, ist das meine Befürchtung.
Aber, sagt Hans.
Nein, sagt Karin, keine Freundlichkeit, bitte, und erst recht keine Komplimente. Wenn Sie damit anfangen, betrachte ich unsere Begegnung als beendet. Ich möchte Ihre ehrliche Einschätzung meiner Person wissen: Was macht das, fragt Karin (ohne Hans dabei anzusehen), was ich sage, für einen Eindruck auf Sie?

Die ehemals berühmte Schauspielerin Karin Hoffmann sieht sich einer unbestimmten Bedrohung ausgesetzt. Seit einiger Zeit erhält sie, in immer kürzeren Abständen, Briefe von jemandem, der ihre Tagesabläufe bis ins letzte Detail beschreibt und der sich wie ein Schatten über ihr Leben legt. Zunächst mutmaßt sie, ihr Mann Wolfgang, mit dem sie zahlreiche bedeutende Filme gedreht hat, könnte dahinter stecken. Gleichzeitig geht die Karriere ihrer Tochter Karla einem neuen Höhepunkt entgegen, ausgerechnet in einem Film mit dem Titel »Melodram«. In weiteren Rollen treten auf: die Produzentin Fiona und der magere, schüchterne und in Zitaten sprechende Hans, der eigentlich bereit wäre für die wahre Liebe.

Thomas Jonigks Roman ist ein Vexierspiel. Was als Krimi beginnt, verwandelt sich mit jedem neuen Kapitel in ein anderes Genre: vom Drama des abtretenden Stars, der Verzweiflung abseits des Scheinwerferlichts, dem Geschlechterdiskurs bis hin zum Traumspiel. Was alles verbindet, ist die Liebesgeschichte zwischen einer älteren Frau und einem jungen Mann, über die Jonigk uns mit Witz und Intelligenz in sämtliche Teilbereiche dessen einführt, was ein zeitgenössisches Melodram auf der Höhe seiner analytischen Schärfe auszeichnet.

Wenn Hitchcock auf Almodóvar trifft, sind Wunden und Verletzungen zu erwarten: Verletzt werden nicht nur Körper und die Grenze zwischen Illusion und Realität, sondern auch die Regeln der ›schönen Literatur‹ – woran allerdings wir Leser und Leserinnen uns erfreuen dürfen.

Presse

»Dieser Autor ist ein glänzender Stilist, dessen konzentrierter Text präzise gearbeitet ist und voller zarter, poetischer Momentaufnahmen steckt.« (Nicole Henneberg, FAZ)

»Ob Menschenbeobachtung oder Seelenschau – Jonigk differenziert und verfeinert … irritierend und aufwühlend zugleich … « (Eva Behrendt, SZ)

»Jonigk versteht es meisterlich, Versuchsanordnungen zu entwerfen, durch die seine Figuren wie Labormäuse irren. Grausam, aber spannend.« (Karin Cerny, profil)

»Thomas Jonigk treibt mit Wirklichkeit und Erfindung ein apartes Spiel. In einem glasklaren Präsens, das auf die Gegenwärtigkeit des Films zielt dreht und wendet Jonigk das Verhältnis der Geschlechter.« (Katrin Schuster, Stuttgarter Zeitung)

»Besonders raffiniert gebaut … Jonigk verwickelt den Leser in ein reizendes Vexierspiel, sorgt für Irritationen und überraschende Wendungen, die Grenzen zwischen Illusion und Realität verschwimmen zunehmend.« (Britta Helmbold, Ruhr-Nachrichten)

»Jonigk ist hoch anzurechnen, dass er die technische Virtuosität wie selbstverständlich zum Bestandteil des Textes werden lässt. Und dass er seinem Roman in seinen geschlechterdiskursiven und amourös komplizierten Passagen eine subtile Komik hat zukommen lassen.« (Christoph Schröder, taz)

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