Buchcover
Wilhelm Hengstler

Fare

2003
gebunden , 13 x 21 cm
128 Seiten
ISBN: 9783854206422
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Das Probekochen, auf dessen Grundlage die zukünftigen Schüler unter den Aufnahmewerbern ausgewählt wurden, sollte entscheidenden Einfluß auf sein Leben haben. Innerhalb der dreißig Stunden, die seit seiner Abreise aus Kalamaki vergangen waren, sollte Iannis, nachdem er seinen bisher größten Triumph eingeheimst hatte, auch die vernichtendste Niederlage erleiden.
In allen anderen Fächern – Mathematik, Geographie, Geschichte, Sprachen – waren seine Leistungen dank der Phantasielosigkeit eines provinziellen Regelschulwesens und der Unerbittlichkeit der Kanakara zufriedenstellend. Aber beim Kochen hatte Iannis das Pech, an Dimitri Saleri zu geraten, der sich nach dem glimpflich verlaufenen Konkurs seines Vier-Sterne-Restaurants auf die Lehrtätigkeit zurückgezogen hatte, ohne allerdings den Gedanken an kulinarische Selbstverwirklichung aufzugeben. Diesem Saleri präsentierte Iannis nun statt eines einzigen, herkömmlichen Gerichtes einige seiner köstlichsten und kunstvollsten Kostproben.
Die Speisen aus Iannis Palette erfüllten Dimitri Saleri gleichzeitig mit Behagen und Schmerz. Schockartig traf ihn die Erkenntnis, daß dieser Junge aus einem entfernten Winkel der Ägäis eine ständige Erinnerung an seine Mittelmäßigkeit als Koch darstellte. Aber da Saleri seinem Mittelmaß zum Trotz kein anderes Interesse hatte, stellte Iannis für ihn eine Bedrohung dar. Er mußte diesen Schüler, an dessen Genie er keinen Augenblick zweifelte, aus seinem Gesichtskreis verbannen.
Noch im Augenblick der Erkenntnis spuckte Saleri aus. Noch bevor der Auswurf des Kochs auf dem Boden landete, begriff Iannis, daß er, und wenn er seine Künste noch so sehr vervollkommnen mochte, sich ihnen nicht mehr uneingeschränkt anvertrauen durfte. Kochend hatte er gehofft, unbefangen zu erscheinen, vielleicht sogar unbefangen zu werden, um verständnisinnig mit der Welt das Kochen sogar aufzugeben. Nie war er diesem Ziel weiter entfernt.

In einem kleinen Dorf auf Kreta wächst, aufgezogen von zwei Frauen, in einer Art matriarchalischer Idylle ein junger Mann heran, der mit einem außerordentlichen Talent begabt ist: Er ist ein Koch, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Also verlässt er als junger Erwachsener seine Insel und geht nach Athen, um sich dort an einer Fachschule ausbilden zu lassen. Und damit beginnt eine sensationelle Karriere – als Koch, aber auch als Liebhaber –, die Iannis wieder zurück auf seine ›unterentwickelte‹ Insel bringt und hier zu den seltsamsten Entwicklungen und Problemen führt.

Zu den Menschen, denen er im Lauf seines Lebens begegnet, gehören auch Vertreter aus der Kunstwelt, Käufer wie Produzenten, und der legendäre John Fare, der sich im Lauf einer seiner Selbstverstümmelungsaktionen in den 60er Jahren ums Leben brachte.

Wilhelm Hengstler erzählt in einem beeindruckend kühlen Tonfall eine Geschichte im Spannungsfeld von Vitalität und Untergang, eine Geschichte von Ehrgeiz und Korruption und den möglichen oder unmöglichen Auswegen aus diesem Dilemma. Die sinnliche, archaische Atmosphäre der griechischen Insellandschaft bildet den größtmöglichen Kontrast zur völlig entfremdeten zeitgenössischen Welt des Erfolgs und der Industrialisierung einerseits, aber auch zum Sog des Verschwindens und Unsichtbarwerdens andererseits.

Presse

»Fare lesen (…), wo sich das Aroma Griechenlands, das Farbenspiel des Luxus, die Sprache des Tagtraums und die Trunkenheit des Genusses in einem literarischen Meisterstück vereinen.« (Falter)

»Ein erzählerischer Glücksfall. Wilhelm Hengstlers Wortkunst wirkt direkt auf den Leser. Und auf die Leserin auch.« (Buchkultur)

»Für literarische Feinschmecker.« (Profil)

»Ein Muss für Leser.« (Hugendubl-Magazin)

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