Buchcover
Dominik Steiger

ABRA PALAVRA

sieh' 'n Gummi - All min Euter
2004
engl. Broschur , 15 x 21 cm
72 Seiten
ISBN: 9783854206699
€ 19,00

AUTOREN

Textauszug

ich war ein junger soldar mit adleraugen, einem latz um den bart und kerne im mund. die mutter nahte mir stets auf filzpantoffeln mit fett an händen und fäusterchen. einmal schlug das bild vom blitz ein, da rasselte auch der ältere bruder an der kette. eben noch quasselt die kette, da waren alle brote im ofen braun. mit dem löffel unterm arm, jacke über der schulter, verliess ich diese backanstalt um mir die freien blitze über den sonnenblumenbergen anzuschaun. lange wandert ich um, streifte in stillen orten um cremige frauenhäuser. dahinter wieder gemurre an geschlossenen mauern. nur der viehtreiber verstand hinüberzukommen. mit einem pferd am stiel auf kufen schlittert er über alle berge.
einst stand ein kleiner wachtelhund am weg. er trug die violine auf dem pelzigen rücken. ich tat als hätt ich es eilig, meine mürbe mütze im gürtel. das hündchen lief mir nach, seither spiel ich wenn es regnet und wir unterstehn in felsen ohne tor, an flüssen ohne boot die flöte. das leiderselige hündl singt dazu. ein wort und alle dinge um uns stehn auf pfützenpantinen horchend

Dominik Steiger hatte sich – nach ersten Büchern bei Suhrkamp in den 60ern – längere Zeit von der Literatur zurückgezogen, er veröffentlichte in nahezu unauffindbaren Verlagen, er erfand ein eigenes Zeichensystem, die ›Knöchelchen‹, in den Biometrischen Texten auch eine eigene Sprache; in den Büchern sind seine Bilder gerne unter den Umschlägen versteckt oder auf der Innenseite der Klappen verborgen.

Verbergen und herzeigen – in dieser Spannung stehen auch die Notate im jüngsten Steiger-Buch. Mit unvergleichlicher Leichtigkeit bewegt sich der Autor durch die unterschiedlichsten Texte und Sprechweisen (oder, in diesem Fall vielleicht wirklich, umgekehrt: die Texte und Sprechweisen durch den Autor?), lässt sich weder durch Versprecher noch durch Verschreiber, weder durch Fehlleistungen noch durch den Sog der automatischen Wortproduktion von seinem Weg abbringen. Seine Einfälle sind liebenswürdig und charmant, Witz, Bildung und Mut zur Freiheit stehen ihm allzeit zur Verfügung, und sogar seine künstlerische Strenge äußert sich verspielt und scherzhaft (siehe die lautliche Permutation, denen Steiger den verborgenen Titel seiner Bücher Band für Band unterzieht). Wenn das Wort vom Künstler als Originalgenie überhaupt noch einen Sinn hat, dann bei dieser singulären Erscheinung.

Dieser Autor schreibt zweifellos rätselhafte und ganz und gar unübliche Texte. Aber er macht es dem Leser im selben Moment auch leicht, in das Verfahren ihrer Herstellung einzudringen und eine Ahnung von der Wirkungsweise von Kunst zu erlangen – halb versteckt und in Wortspielen und Gedankenblitzen sich offenbarend, wie der Sinn sich im Traum offenbart: undurchschaubar und einleuchtend gleichzeitig.

Presse

»Steigers anmutige Einfälle überraschen und lassen den Virtuosen erkennen, der scheinbar spielerisch sprachliches Neuland erobert … genial-launige Geistesblitze.« (Walter Wagner, Literaturhaus Wien)

»Dominik Steiger – die spielerische poésie pure eines posthumen H. C. Artmann.« (Paul Jandl, NZZ)

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