Buchcover
Monique Schwitter

Goldfischgedächtnis

Erzählungen
2011
gebunden , 13 x 21 cm
192 Seiten
ISBN: 9783854207894
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Leon flüchtet kreischend ins Schlafzimmer der Eltern unter ihr Bett. Er hat ihn sofort erkannt. Er würde ihn in jeder Verkleidung erkennen, denn sein Vater schnarcht, ohne dass er schläft, er schnarcht beim Atemholen. Ob er Treppen steigt, Auto fährt oder isst, selbst bei völliger Reglosigkeit abends vor dem Bildschirm schnarcht er, sobald und sooft er Luft holt.
Seine Mutter war die einzige, die sich dazu äußerte. “Jan, du musst was unternehmen, das klingt fürchterlich.” Aber seit sie tot ist, sagt keiner mehr etwas, und er schnarcht, Tag und Nacht, wobei es mit zunehmender Dunkelheit stärker wird. Jetzt ist es kurz nach 18 Uhr und finster, denn vergangene Nacht endete die Sommerzeit, und Jan schnarcht bereits deutlich vernehmbar. Er selber hört es nicht. Alles, was er wahrnimmt ist, dass er in seinem Nylonkostüm zu schwitzen beginnt. Er hat sich, weil Leon es sich wünschte, zu Halloween als Toter verkleidet. “Als Toter?” Leon nickte. “Heloin”, sagte Leon, “müssen alle als Tote gehen”. Sein Vater kennt diesen Brauch nicht. “Früher”, erzählte er, “haben wir uns im Februar verkleidet, zu Fasching, als Clown oder Cowboy”. “Nein”, Leon blieb dabei, “als Toter”.

Alles ist Handlung in diesen Geschichten (nicht zu verwechseln mit action!), ihre Personen sind nach wenigen Zeilen plastisch und lebendig, ihre Sätze sind elementar und schnörkellos. Es geht ja auch um etwas: Fast alle Geschichten handeln von Begegnungen, und in fast allen Geschichten ist auch von Abwesenheit und Verlust, von Sterben und Tod die Rede. Unglaublich berührend und kunstvoll die Erzählung, in der eine Schriftstellerin ihre tote Freundin lebendig macht, indem sie sie diese Erzählung diktieren lässt; oder der Schrecken des kleinen Jungen, als seine Halloween-Wünsche wahr werden; oder die Erfahrungen einer Kellnerin mit den letzten Gästen zur Sperrstunde …

Monique Schwitter erzeugt eine nahezu körperliche Intensität zwischen LeserIn und Text, und verantwortlich dafür sind ihr scharfer Blick, ihr gutes Gehör, ihr Sinn für Komik, mit denen sie sich auch auf ganz schwieriges Gelände wagt, ohne je sentimental zu werden – »ein eigenwillig ruppiger Ton, präzis und auf lässige Weise lückenhaft, komisch und mitunter sehr ernst« (Daniela Strigl, Der Falter).

Presse

»Schwitter beherrscht es, mit knapp bemessenen, unaufdringlich poetischen Sätzen Portraits zu entwerfen. Sie zeigt, wie ihren Figuren im Erinnern das Leben um die Ohren fliegt.« (Andrea Heinz, Die Zeit)

»Dieses außerordentliche Buch fährt den Leser gegen die Wand.« (Helmut Schödel, Süddeutsche Zeitung)

»Nicht nur die künstlerische Komposition dieser Erzählung zeugt von großer Gestaltungskraft. Monique Schwitter gelingen in sprachlicher Dichte einige Meisterstücke der knappen Form.« (Klaus Zeyringer, Der Standard)

»Die fatalistische Wucht dieser Geschichten ist gewaltig.« (Michael Braun, Basler Zeitung)

»Bewundernswerte Beobachtungsgabe, Blicke für nebensächliche Details, feine, genau dosierte Ironie, die fast magische poetische Kraft, den Leser in eine fremde, bekannte neue Welt zu führen, all das ergibt Meisterzählungen.« (Werner Krause, Kleine Zeitung)

»Vorerst kommen die Erzählungen ganz leicht daher, um sogleich aus scheinbar harmlosen Situationen eine abgründige Dynamik zu entwickeln und eine irisierende Irritation… virtuos.« (Petra Nagenkögel, Volltext)

»An den Knotenpunkten, den kleinen, privaten Katastrophen, finden die Figuren Schwitters gerade durch das zueinander, was sie trennt. Manchmal ist das komisch, manchmal tragisch, oft beides zusammen.« (Samuel Moser, NZZ)

»Monique Schwitter vermag es, große Dinge wie die Liebe und den Tod mit Humor zu beschreiben, ohne dass auch nur ein Funken Respekt verloren geht.« (Claudia Ramsteiner, Offenburger Tageblatt)

»Es sind die pointierten Dialoge, die präzisen und auf ihre geradezu poetische Essenz eingedampften Beob­achtungen einer Generation zwischen 30 und 40, die einen das Buch einfach nicht aus der Hand legen lassen.« (Regula Freuler, NZZ am Sonntag)

»Monique Schwitter lässt ihre Figuren spielen, und sie verfügt als Erzählerin über einen abgründigen Humor, der sich auch und gerade an der Sprache entzündet.« (Christine Lötscher, Tages-Anzeiger)

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