ich fühle mich (es fühlt sich) hier als PassantIn unter PassantInnen im Gewühl der eigenen/fremden Stadt auf- und untergehen, eine, die jetzt gar nicht mehr weiß, wo sie eigentlich hin will, gehe ich überhaupt selbst (vom Stephans- zum Schwedenplatz, vom Gaussplatz zur Friedensbrücke, vom Belvedere zum Augarten, in einer aufmerksamen Stadtdurchquerung) oder werde ich entlanggegangen, die selbstverständlichen Dinge der Lebensreproduktion fallen als schnell vergessen/zu mühsam aus dem vorsätzlichen Bewußtsein heraus und machen einem Freiraum für nichts Platz (ach ja, die Soundso wirkt heute ganz verloren, sagt man), Sie selbst sind der Betroffene, dann hat sich noch ein lieber Mensch aus der nächsten Umgebung verabschiedet, davongeschlichen, ist von einem Tag auf den anderen fort, hat seine angefangenen Projekte und Gegenstände des täglichen Gebrauchs am ehemaligen Lebensmittelpunkt zurückgelassen, man kann sie nicht sofort, muß sie aber schließlich doch aus dem Weg schaffen/wegräumen, ab jetzt werden wir all die Repetitionen schmerzlich vermissen, mit denen diese Person ihre Umgebung bisweilen einbezogen/genervt hat (man erkennt, da stellt jemand im wiederholten Wortlaut zuallererst seine Identität her und nicht die jeweilige Situation, d.h. in der Wiederholung fühle ich mich als wahrgenommenes Gegenüber gar nicht angesprochen, bloß unwilliges Ohr für eines anderen Ich-Reproduktion), es wäre ein breites Spektrum von Möglichkeiten zu entwickeln, wie wir den Spuren der Erinnerung ein entsprechendes (wörtliches oder zeichenhaftes) Bild geben könnten
Wie im Wort ›Tracht‹ das fleißig Eingeheimste der Bienen genauso wie eine Tracht Prügel mitschwingt und wie in der Pflicht zur Tracht eo ipso der Widerstand gegen die unbefragt konventionelle Form angestachelt wird, so sind im neuen Textbuch von Bodo Hell die Fundstücke aus der Natur- und Medienwelt zu Sprach- und Sprechkonvoluten gesammelt, nämlich in einer Art TextWabenStock aufgehoben.
Durch die elaborierte Technik des Vorführens, Verschneidens und Montierens schlägt der uns allen bekannte Sprachgebrauch auf die Intentionen der Verwendung zurück und lässt die klischierten Sprech- und Welthaltungen in nicht unbedenklich erheiternden Brillantfeuerwerken zerstieben, die vorm Leser und der Hörerin in der jeweiligen Text- und Kopflandschaft niedergehen.
Es sind Spracharbeiten zu vielerlei Gegenständen – andere Natur/Wahrnehmung, masculin/feminin, kleine Anthropologien/Körper, Stichwort Stadt, im Stau, Nachruf Tod und andere – und aus vielen Jahren, darunter auch der früheste Text von Bodo Hell aus dem Jahr 1972 und die jüngsten Texte, die auch in seinem Theaterstück (mit dem gleichnamigen Titel Tracht : Pflicht), uraufgeführt 2003 in Graz, zu hören sind.
»Lesen Sie Tracht : Pflicht von Bodo Hell, betrachten Sie es als Ihre Pflicht, Tracht : Pflicht von Bodo Hell zu lesen, dessen erste Abteilung, und mindestens diese, Sie zu der Annahme versteigen lassen könnte, lesend einen Berg bereits zu erklimmen, eine Pflanze bereits zu riechen, einen Horizont bereits zu erblicken.« (Michael Lentz in der Laudatio anlässlich der Verleihung des Preises der Literaturhäuser 2003)