Buchcover
Thomas Stangl

Ihre Musik

Roman
2006
gebunden , 13 x 21 cm
192 Seiten
ISBN: 9783854207092
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Jede Annäherung (so unvermittelt sie erscheinen mag) hat etwas von einem Wiedererkennen und zugleich von einem immerfort Verlieren. Ich habe einmal nah an dem versteckten, nur zu besonderen Gelegenheiten wiederzufindenden Platz in der Leopoldstadt, zwischen Karmeliterviertel, Praterstraße und Donaukanal gewohnt, wahrscheinlich nur für wenige Tage (oder Nächte), in einem hohen, alten, halb in den Berg hineingebauten Haus, das zum Großteil leer stand, in einem der obersten Stockwerke; wenn ich (anstatt den Aufzug zu benützen) die Treppen hinablief, konnte ich durch die Spalte der bloß angelehnten Türen ins Innere der verlassenen Wohnungen schauen, nur einen unbestimmten Lichtschein auf den Parkettböden ausmachen, mir die Wege durch die Zimmerfluchten und die wenigen zurückgebliebenen Einrichtungsgegenstände (oder sind es nur alte Schuhe, vergilbte Bücher, rostige Pfannen und Spiegel, zerfledderte Fotoalben, sind es nur die weißen Stellen an den Wänden, wo Bilder hingen, die helleren Stellen an den Parketten, wo Möbel standen) vorstellen; ohne daß ich aber je wußte, ob sich nicht doch noch Bewohner hier versteckt halten und das Wort oder gleich eine Waffe gegen mich richten konnten.

Zwei Frauen, ihre Wohnung, ihr Stadtviertel und ihre Erinnerungen: Das ist das Material, aus dem Thomas Stangl seinen zweiten Roman komponiert hat. Schauplatz ist die Leopoldstadt, geschichtsträchtiger Wiener Stadtteil, in dem Emilie und ihre Tochter Dora ihr ganzes Leben verbringen, bis zum Ende.

In einer überwältigenden Sprach- und Bilderflut, in der sich die Wirklichkeit ständig aufzulösen droht, beschwört Stangl einerseits eine bestimmte Topografie, ein Wien, das so überwältigend kaum je zu lesen war, andererseits die Zeit, das Vergehen der Zeit, die Vergangenheit, den schmerzlichen Verlust, den das ununterbrochene Voranschreiten der Geschichte bedeutet, ihr immergleiches Münden in den Tod. Das erzählende Ich erscheint wie ein Gespenst in den Kulissen des Realen, ein Gespenst, das durch seine übergroße Nähe zu den Personen das Unheimliche erzeugt und aus dem Geschichtsroman fast eine Geistergeschichte macht.

Wie in einem Taumel stürzen wir in die Erinnerungen und Vorstellungen der beiden Frauen hinein und drohen in ihnen verloren zu gehen. Hier ist Literatur mehr als eine wie gut auch immer geschriebene Geschichte: Stangl ist ein einzigartiger Erforscher des Bewusstseins, ein Reisender in Bereichen, in denen nur die Literatur Ergebnisse zutage bringt.

Presse

»Unbeirrt schreibt Thomas Stangl seine genauen Sätze, die in eine parabelhafte Enge führen – ins Labyrinth des Lebens. Es ist große Literatur, die für so viel so wenig Platz braucht.« (Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung)

»Stangl öffnet dem Leser (…) die Augen auf eine Weise, dass man denkt, erst mit solchen Büchern fange, jenseits der guten Unterhaltung, die Literatur überhaupt wieder an.« (Christoph Bartmann, Die Presse)

»Die Logik dieses Romans? Sie ist erträumt. Seine Wirkung? Sie ist hypnotisch.« (Wieland Freund, WDR)

»Ein Roman, wie man ihn in Zeiten allgemeingültigen Mittelmaßes nur selten zu lesen bekommt: Ihre Musik von Thomas Stangl, mit dem er seine Leser überrascht und seine Verehrer bestätigt.« (Rudolf von Bitter, Bayerisches Fernsehen)

»Was real, was surreal ist, verschwimmt. Nur festhalten an der Sprache kann man sich da, sich mit ihr treiben lassen im Wellengang der Sätze, einfach hineintauchen in dieses Buch.« (Katrin Schuster, Stuttgarter Zeitung)

»Thomas Stangl erzählt in seinem neuen Roman vom Leben zweier Frauen und entwickelt dabei sprachlich eine derart innige Nähe, dass man glatt meinen könnte, ihnen unter die Haut zu sehen.« (Klaus Kastberger, Falter)

»Ein großer Erneuerer des realistischen Erzählens ist zu entdecken, ein bahnbrechender Erzähler.« (Sibylle Cramer, Frankfurter Rundschau)

»Schreiben bedeutet Wahrnehmungen zu intensivieren, Literatur körperlich erlebbar zu machen. Thomas Stangl ist ein beeindruckend intensives Prosastück gelungen.« (Uta Beiküfner, Berliner Zeitung)

»Wie kaum einer versteht er es, kraft seiner Sprache Stimmungen zu evozieren und Bilder zu beschwören.« (Maria Seifert, Bücher Pick)

»Dergleichen hat man lange nicht mehr gelesen. Der Dichter Thomas Stangl spielt hier mit höchstem Einsatz, und er hat alles gewonnen.« (Jörg Drews, Tages-Anzeiger)

»Es ist, als sähe Stangl genauer hin, als es vor ihm je jemand getan hätte.« (Julia Kospach, Der Bund)

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