Buchcover
Bernhard Strobel

Ein dünner Faden

Erzählungen
2015
gebunden , 13 x 21 cm
152 Seiten
ISBN: 9783854209607
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Es genügt, durch ein kleines Fenster einen Blick hinauszuwerfen in die Welt: ein Komposthaufen. All die Verwesenden und Verwesten, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Toten, Erde zu Erde, das ist ein gutes Bild, meiner Meinung nach.

Ich sitze im fünften Stock des Krankenhauses mit guter Sicht auf den Friedhof unseres kleinen Heimatstädtchens. Die Perspektive drängt einem den Vergleich buchstäblich auf. Ich habe sogar mein altes Fernglas reparieren lassen, um besser sehen zu können. Es gibt ein hübsches freies Plätzchen zwischen dem Grab meines Urgroßvaters und einer Art ausuferndem Mausoleum, das gewiss einen zutiefst widerwärtigen Landesrat oder anderen Wichtigtuer beherbergt. Es ist ein schattiger Winkel, die Vormittagssonne wird von einer hohen Kastanie geschluckt, und am Nachmittag wirft das benachbarte Grabmal weiche, dunkle Konturen auf das Fleckchen Erde meiner Wahl. Das scheint mir kein Nachteil zu sein. Ich habe mein ganzes Leben gewissermaßen auf der Schattenseite verbracht, weshalb sollte ich ausgerechnet die Freuden des Nichtdaseins in der prallen Sonne genießen?

Schnörkellose Schilderungen des mühsam unterdrückten Alptraums im Häuschen im Grünen.

Die Menschen auch in diesen Geschichten sind entsetzlich genervt voneinander, und diese Gereiztheit steht jeweils knapp vor einer beängstigenden Entladung.

Die lethargischen, schweigsamen (oder sprechfaulen?) Helden dieser Texte leben fast ausschließlich in ihren kleinen Häuschen, nicht in der Stadt, nicht am Land, sondern in der Region dazwischen; es gibt den kleinen oder größeren Garten, es gibt die obligatorische Garage, es gibt Nachbarn – und es gibt Kinder. Und das Ergebnis ist das schiere Gegenteil von Idylle: Vorwürfe, Aggressionen, Misstrauen, viel Unausgesprochenes und Geheimnisse, die Strobel, der »Meister des Weglassens«, seinen Personen ohnehin belassen würde, da er ihnen so wenig nahetritt, wie diese Personen Distanz zueinander halten. Die Groteske rund um diese Kleinstadthelden zeigt aber manchmal auch ihre komischen Seiten, etwa in der meisterhaften, in jedem Satz verblüffenden Brieferzählung, in der ein Rollstuhlfahrer in einem Krankenhaus seine Misanthropie nur allzu bereitwillig an den Nagel hängt.

Presse

»Man wagt angesichts von so viel Originalität die Metapher vom Sog dieses Erzählens kaum zu verwenden – doch sie trifft einfach zu.« (Beate Tröger, FAZ)

»Minimalismus, der Großes schafft.« (Ulrich Rüdenauer, Falter)

»Getrimmte Hecken, gepflegte Gemüsegärten, blitzblanke Swimmingpools … Geschichten aus dem Land des real existierenden Eigenheim-Albtraums (…) Mit lustvoll boshafter Empathie zeigt der Erzähler, wie sich gerade dadurch im Bereich der Demütigungen und Drohgebärden ungeahnte Möglichkeiten auftun.« (Georg Renöckl, NZZ)

»Die Radikalität, mit der Bernhard Strobel Durchschnittsmenschen, Minderleister, ›Low Performer‹ in den Mittelpunkt seiner Beschreibungskunst rückt, macht den 32-jährigen Österreicher zu einem Solitär in der deutschsprachigen Literatur von heute.« (Günter Kaindsltorfer, WDR5)

»Strobel brilliert als Erzähler mit Andeutungen und Auslassungen, statt mit Redseligkeit. Ein äußerst dichtes Leseerlebnis mit tiefschwarzem Humor.« (Christoph Hartner, Kronenzeitung)

»Die meist männlichen Erzählstimmen zeichnen wie Seismografen jede zwischenmenschliche Bewegung, die gegenseitigen ständigen Belauerungen, alle Absurditäten in den Beziehungsalltagen auf.« (Linda Stift, Die Presse)

»Diese Texte sind bestechend einfach, deuten hochexplosive Psychodramen an, ohne dass etwas oder jemand wirklich in die Luft geht.« (Ulrich Rüdenauer, Badische Zeitung)

»Bernhard Strobels Sprache vermag viel, sehr viel sogar. Sie löst ein, was gute Literatur können sollte: über eine bisweilen beunruhigende Selbstbefragung zu mehr Klarheit über sich selbst und die Welt zu gelangen.« (Herbert Först, Literaturhaus Wien)

»Strobel durchpulst eine nahezu hellsichtige Beobachtungskraft.« (Kulturpunkt.ch)

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