Buchcover
Olga Neuwirth

Bählamms Fest

Ein venezianisches Arbeitsjournal 1997–1999
2003
gebunden in Schuber , 13 x 21 cm
280 Seiten
Mit einem Text von Elfriede Jelinek und einem Nachwort von Thomas Jonigk.
ISBN: 9783854206354
€ 150,00

AUTOREN

  • Olga Neuwirth

BEITRÄGER

Textauszug

Nono ist und war mein großes Vorbild, auch wenn man das in meiner Musik nicht unbedingt hören kann. Damals, als ich ab sechzehn meine quasi-kommunistische Phase hatte, schrieb ich Stücke, die so werden sollten wie La fabbrica illuminata oder wie der Canto sospeso. Natürlich bin ich kläglich gescheitert. Aber es war seine Unbedingtheit im Denken und Komponieren, welche mich geprägt hat, obwohl ich nie seine Schülerin war. Und dann noch die Menschen, mit denen er zusammen gearbeitet hat: Piscator, Pavese, Ljubimov, Renzo Piano, Cacciari, Vedova und wie sie alle heißen, sie alle haben mich beeindruckt, begeistert und angeregt. Auch das dicke Stenzl-Buch über Nono habe ich verschlungen. In Berlin 1987 saß er alleine in seinem Hochschulzimmer – keine Schüler, warum bitte? –, als ich ihm mit Onkel Gösta begegnete. Brachte kein Wort heraus. Hörte den beiden Herren einfach zu. Ich war leider zu jung und nicht-wissend, um zu wagen, mit ihm zu reden. Ich hätte eh nur gestammelt. Gerade erst hatte ich begonnen in Wien zu studieren, da hatte ich noch nicht das Gefühl, irgendetwas Gehaltvolles sagen oder fragen zu können. Und nun, acht Jahre nach seinem frühen Tod, stehe ich in seinem Archiv … Nuria ist unglaublich freundlich und lädt Erika und mich sogar noch in ihre Wohnung zum Abendessen ein. So eine Geste bin ich von Wien gar nicht gewohnt. Es geht schnell und sie zaubert ein schmackhaftes Essen herbei. Ich habe das Gefühl von Vertrautheit trotz Ehrfurcht. Hoffentlich habe ich mich wohl anständig benommen! Ich kenne mich nicht aus bei gesellschaftlichen Umgangsformen.

10 Exemplare, mit einem Diptychon mit Autograf, signiert und numeriert.

Olga Neuwirth ist sehr jung bereits zu einer der renom­miertesten und vielseitigsten Komponistinnen zeitgenössischer Musik avanciert. Von Oktober 1997 bis Februar 1999 zog sie sich nach Venedig zurück, um dort ihre erste große Oper – Olga Neuwirth zieht den Begriff ›Musik­theater‹ vor – Bählamms Fest zu schreiben. Eineinhalb Jahre also, in denen sie gewissenhaft und höchst lebendig Tagebuch führt und mit Witz und Leidenschaft den Produk­tionsprozess kommentiert.

Es gibt wenig Dokumente und literarische Zeugnisse, die uns den Alltag dieser in der Gegenwartskunst eher marginalisierten Berufsgruppe so klar vermitteln, ein so vielschichtiges Bild von künstlerischen Produktions­bedingungen zeigen wie Olga Neuwirths Venedig-Tagebuch. In dieser Zeit beschäftigt sie sich nicht nur mit der Konzeption des entstehenden Werks, sondern sie erlebt bei diversen konzertanten Aufführungen die Heraus­forderungen der Auf­führungspraxis, sie begegnet diversen Künstlerkolle­gen, sie ist zu Gast bei Nuria Schoenberg und wirkt etwa bei den Salzburger Festspielen mit; sie hat aber auch die üblichen Probleme mit Vermietern, mit der Organisation des täglichen Lebens, und zeigt darüberhinaus eine nicht unproblematische Familiensituation vor. Das Panorama dieser 18 Monate in Venedig – von der Autorin in minimali­stischen Fotografien der Dach­landschaften festgehalten – öffnet einem die Augen, nicht nur für diese Stadt, auch und vor allem für die Bedingungen der Künstlerin, die sich als Außenseiterin auch innerhalb der Kultur erlebt.

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